Helden der Straße

 

Man reist ja nicht, um anzukommen, sondern um zu reisen (Johann Wolfgang von Göthe)

Ein paar Tage in Paris und einige rasante Taxifahrten später, bin ich wieder zur Erkenntnis gekommen, dass diese besonderen Erlebnisse in meinem Gedächtnis eine eigene Ecke bewohnen. Da unsere Kids das nächtliche Fahren mit der U-Bahn verweigern, haben wir so manche Taxifahrten erlebt.
Ein chaotisches Gewühl aus mehrspurigen Fahrbahnen plus Kreisverkehr, welche durch die Abwesenheit von Leitlinien glänzen. Die Verkehrsteilnehmer wechseln kreuz und quer die Fahrbahn und wie durch ein Wunder löst sich dieses Knäul doch wieder in Wohlgefallen auf.
Mein Mann hat das Prinzip messerscharf analysiert und verstanden, denn er meinte bei diesem chaotischen Anblick: „Wer zuckt verliert!“
Ich bewundere diese Helden und Heldinnen der Straße – chapeau!

Aber eine Taxifahrt, die nun mittlerweile schon einige Jahre hinter uns liegt, ist mir so sehr ans Herz gewachsen, dass sie in meiner „TaxiGedächtnisListe“ nach wie vor den ersten Platz belegt.
Diese unvergessliche Fahrt erlebten wir in Kampanien – im Großraum Neapels.
Da der Bus, den wir öfters benutzten, wieder einmal bei 40 Grad Gluthitze nicht an der Haltestelle auftauchte, haben wir kurzerhand ein Taxi bestellt, dessen Visitenkarte in unserem Quartier herumlag.
Es holte uns ein älterer, charmanter Italiener, mit grauen Schläfen und elegantem Auftreten, in seinem nicht mehr ganz so jungen, dennoch frischpolierten Mercedes ab.
Dass dieser Herr Stil hatte, stach sofort ins Auge, denn er trug feine Lederhandschuhe, die sich wie eine zweite Haut an seine Hände schmiegten, obwohl das Thermometer hochsommerliche Temperaturen zeigte.
Die Strecke von circa 20 km bis zum Ziel begann recht gemütlich und wer diese schmalen, überfüllten, kurvigen Straßen an diesem wunderschönen Fleckchen Erde kennt, weiß dass das durchaus stressig sein kann.
Schließlich beging ich einen folgenschweren Fehler, denn ich stellte dem Fahrer eine belanglose Frage. Da ich aber hinter ihm saß hatte er von nun an den Kopf zu mir gedreht, bei gleichbleibendem Tempo, engen Straßen mit entgegenkommenden Bussen, sowie überholenden einspurigen Fahrzeugen aller Art.
Mein Sohn hätte mich in diesem Moment wahrscheinlich am liebsten gefressen.
Aber was soll ich sagen, sein italienisch-englisches Singsang und mein steirisch-gefärbtes Englisch harmonierten prächtig. So erfuhren wir einiges über Land und Leute, wirtschaftliche Veränderungen, sowie die allgemeine Situation dieses herrlichen Landstriches.
So informativ, so sympathisch dennoch trotzdem irgendwie aufregend und angesichts der Strassenverhältnisse nicht unbedingt entspannend.
Ich muss zugeben mein Adrenalinspiegel geriet in dieser Zeit auch etwas aus dem Gleichgewicht, aber trotzdem möchte ich dieses Erlebnis nicht missen!
Das Highlight dieser Fahrt ereignete sich auf dem Heimweg. Wir baten unseren Chauffeur vor einem kleinen Tante-Emma-Laden zu halten, um uns mit Lebensmittel für das Abendessen einzudecken. Leider haben wir die lange Mittagspause nicht bedacht, der Laden hatte noch über eine Stunde geschlossen. Unser großväterlicher „Taxifahrerfreund“ setzte uns vor einer Bar ab, riet uns etwas zu trinken, danach einzukaufen und er hole uns in eineinhalb Stunden wieder ab. Genau so war es dann, wir verbrachten die Zeit in diesem kleinen verschlafenen Dorf, in einer Bar mit einer Handvoll Einheimischer und inhalierten die Atmosphäre.
Die lähmende Hitze und der kalte Weißwein benebelten meine Wahrnehmung und ich sah ständig, vor meinem geistigen Auge, die junge Sophia Loren mit schwingenden Hüften über den Platz schlendern und Marcello Mastroianni mit der Vespa hinter ihr herjagend…kitschige italienische Postkartenidylle allererster Klasse…
Als uns der Fahrer dann am Abend vor unserem Quartier absetzte und wir uns überschwänglich für die Zeit die er uns schenkte bedankten, meinte er nur wir sollen sein Taxiunternehmen bewerben, denn die Zeiten sind nicht so rosig für ein kleines Familienunternehmen…
Danke, Giuseppe!

 

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2 Gedanken zu „Helden der Straße

  1. oh welch ganzkörpergänsehautanzug mir du mit dieser storia italiana bescherst… mamma mia – ich hatte gerade einen bezaubernden kurzurlaub – ars vivendi und la dolce vita in meinem alten holzssessel … umweltfreundlicher geht ś nicht 🙂

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