Zahlen lügen nicht!

Die Welt der Zahlen ist nicht meine Wohlfühloase.

Dafür liebe ich Buchstaben – denn bei diesen fühle ich mich heimisch.

Ich befürchte, dass genau der Bereich meines Gehirns, in dem die Zahlen wohnen, bei mir etwas kleiner ausgefallen sein dürfte.

Diese Antipathie hat bei mir in jungen Jahren, ein nicht sonderlich begabter Pädagoge zusätzlich verschärft. Vielleicht hätte ein talentierter Mathematiklehrer das Flämmchen der Zahlen in mir doch entzünden können. Wer weiß…

Wir kennen doch alle den Spruch: Zahlen lügen nicht.

Ja, im Gegensatz zu Buchstaben kommen diese wirklich sehr streng daher.

Hart und nüchtern stehen sie für Fakten.

Das hat sogar etwas Autoritäres! Hilfe, das erinnert mich wieder an den Mathematikunterricht.

Worte sind hingegen biegsam und können einiges verschleiern. Sie können uns Honig ums Maul schmieren, uns Freude bereiten, jedoch auch verletzen und uns berühren.

Manchmal lügen sie sogar rotzfrech…

Wobei ich mir aber seit dem vermehrten Auftreten von Statistiken, über die unumstößliche Wahrheit der Zahlen, auch nicht mehr so sicher bin.

Denn anscheinend sind diese ebenso etwas biegsam.

So hat beispielsweise Winston Churchill angeblich behauptet: „Ich glaube nur Statistiken, die ich selbst gefälscht habe.“

Ich vermute, hier dürfen wir oft etwas genauer hinsehen.

Aber lassen wir das.

Außerdem ist mir das Leben, welches immer auf Zahlen heruntergebrochen wird, unsympathisch.

Da gibt es zweifelsfrei schlaue „Auskenner“, die alles möglich berechnen.

Jedoch habe ich damit meine Probleme. Gerade wenn es um Menschen geht.

Wir können uns über Zahlen definieren. Größe, Gewicht, Brustumfang, Blutdruck oder der aktuelle Wert des Cholesterinspiegels sagen etwas über uns aus. Allerdings gibt auch die Summe all dieser möglichen und unmöglichen Zahlen noch kein Gesamtbild von uns ab.

Oder denken wir an die Sportuhr, welche bei fast jedem von uns am Handgelenk baumelt. Hier sind die Zahlen die wichtigsten Parameter unseres Tagesablaufes. Schrittanzahl, Kilometer, Sporteinheiten, Kalorien, Puls – all diese Informationen werden uns angezeigt. Ob wir an diesem Tag jedoch glücklich oder traurig waren, weiß selbst dieses „Zeitmesser-Wunderding“ nicht. Schneller, höher und weiter lautet das tägliche Anforderungsprofil.

Gleiches gilt auch für unsere Arbeitswelt.

Hier wird natürlich mit Zahlen um sich geschmissen. Geht es doch um Wirtschaftlichkeit, den Umsatz und letztendlich um die Moneten.

Aber ich behaupte trotzdem, dass sich nicht alles mit dem Rechenstift erklären lässt.

Manchmal muss es etwas geschmeidiger sein und es dürfen ebenso andere Aspekte berücksichtigt werden.

Wenn Menschen in einem Betrieb zusammenarbeiten kann eine verbissene Versessenheit auf Zahlen sogar kontraproduktiv sein. Die berühmte „Kosten-Nutzen-Rechnung“ ist zwar hilfreich, aber nicht immer menschlich und erfolgsversprechend.

Natürlich sollte ein Unternehmer die Zahlen stets im Auge behalten.

Aber funktioniert Motivation mittels der Zahlen-Daumenschraube?

Ich vermute, dass dies nicht dauerhaft klappt. Moderne Mitarbeiterführung sieht anders aus, das versuchen uns Unternehmensberater oder Coaches schon seit einiger Zeit zu vermitteln. Wenn Mitarbeiter sich wohl fühlen, sowie ein sozial angenehmes Betriebsklima vorfinden, sind diese meist auch bereit etwas mehr für das Unternehmen zu tun. Zusätzlich wird diese Positivität natürlich auch nach außen getragen. Sind allerdings bei der Geschäftsleitung einzig und allein Zeiten, Leistung und die damit verbundenen Zahlen relevant, wird die Motivation auf kurz oder lang sinken.

Druck ohne Ende geht oftmals in eine verkehrte Richtung.

Auch in der Arbeitswelt.

Wenn der Job keinen Spaß macht und das soziale Umfeld zu wünschen übriglässt, dann wird es schwer Mitarbeiter zu halten. Wird zusätzlich von Seiten der Geschäftsführung nur mit Zahlen argumentiert, jeder Mensch als Nummer gesehen, ist das Durchhaltevermögen wahrscheinlich nicht andauernd. Selbst dann, wenn bei einer Steigerung der Umsatzzahlen mit einer saftigen Provision gelockt wird. Dieses Argument ist für einen Arbeitnehmer oftmals zu wenig. Gerade jungen Menschen ist ein angenehmes Umfeld oft lieber als ein höheres Gehalt. Wertschätzung, Flexibilität und gesunder Teamgeist stellen eine größere Motivation dar.

Und der wertvollste Schatz eines Unternehmens sind gute Mitarbeiter.

Unser Wirtschaftssystem ist auf ständiges Wachstum ausgelegt.

Jedoch glaube ich, dass wir hier irgendwie an eine Grenze stoßen. Zumindest im herkömmlichen Bereich. Und indem wir Menschen quetschen und pressen wird das nur kurzfristig eine Steigerung bewirken. Auch das Erhöhen der Preise, wenn am Jahresende der Rechenstift nicht das gewünschte Ergebnis schreibt, ist ein einseitiges Modell. Bei gleichbleibender Qualität ohne Mehrwert für den Kunden wird eine außergewöhnliche Erhöhung nicht nachvollziehbar sein. Auch hier sind die Zahlen allein nicht der Weisheit letzter Schluss.

Gerade in Zeiten wie diesen müssen neue Ideen kreiert werden und es braucht innovative Konzepte. Denn es gibt viele Baustellen, welche berücksichtigt werden sollten: Neue Technologien, Umweltschutz, Gesundheit, begrenzte Ressourcen und vieles, vieles mehr.

 

Deswegen glaube ich: Harte Zahlen sind zwar wichtig und zeigen oft Fakten auf, jedoch gilt es immer auch das Gesamtpaket zu betrachten.

Es geht um Individuen und um das Leben – das kann schwer berechnet werden.

Das Ganze ist eben mehr als nur die Summe seiner Teile, wie Aristoteles schon vor über zweitausend Jahren feststellte.

Auch wenn Zahlen nicht lügen….

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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