Wachsames Absurdistan

 

Ich bin ein vorsichtiger Mensch und Sicherheit hat in meinem Leben einen hohen Stellenwert.

Doch wie ich nun beschämt feststellen muss, dürfte ich ein wirkliches Nullerl auf diesem Gebiet sein. Da mein Mann einen mittelgroßen Gewerbebetrieb führt, bekomme ich als Bürokraft nun oft erst den Ansatz einer Idee mit, wie wirkliche Sicherheit auszusehen hat. Denn da gibt es Sicherheitsvertrauenspersonen, Sicherheitsdatenblätter, Berater der medizinischen Sicherheitsstelle und auch jene der Arbeitssicherheit. Alles wird notiert, niedergeschrieben und auch in den vorgeschriebenen Zeitabständen vor den Arbeitnehmern eindringlich vorgetragen. Vehement wird auf alle Gefahrenquellen hingewiesen, damit es auch wirklich bis in die letzte Gehirnzelle vordringt. Sollte man dann im Arbeitsalltag einmal versehentlich sein Gehirn zuhause vergessen haben, ist dies gar nicht so schlimm, denn alles ist fachmännisch reglementiert und Schritt für Schritt niedergeschrieben. Bei den Beratungen vonseiten der öffentlichen Stelle, kann man sich dann mit diesen netten Personen wirklich in die Materie von Gegenständen wie einem Cuttermesser oder einer scharfkantigen Spachtel vertiefen. 

Und bestürzt stellt man fest – überall lauert die Gefahr. 

Nicht zu vergessen ist zweifellos, und darauf muss sorgfältig geachtet werden, dass alle Art von Schutzkleidung zur Verfügung steht. Für mich wäre es ehrlich gesagt selbstverständlich bei gewissen Tätigkeiten meinen Körper zu schützen, aber anscheinend darf das nicht vorausgesetzt werden. Also macht sich die Behörde Gedanken und entwirft dabei Strategien zum Wohle für Jedermann und natürlich auch Jederfrau. 

Zusätzlich gibt es immer wieder Neuigkeiten und Änderungen. 

Seit 2017 müssen beispielsweise keine Aufzeichnungen mehr über „Beinaheunfälle“ geführt werden. 

Uff…das ist echt großzügig, denn irgendwie kann ich „Beinaheunfälle“ so schwer einordnen. 

Ab wann ist man beinahe gestolpert, hat sich beinahe in den Finger geschnitten, oder wäre beinahe mit dem Kopf gegen die Wand geknallt?

Diese vielfältigen Auflagen sind begrüßenswert und von „Fachpersonal“ sicherlich gründlichst durchdacht, doch manches schaut für mich ein bisschen nach Haarspalterei aus.

Aber vielleicht empfinde nur ich dies so. 

Denn ich muss zugeben als Mutter fühle ich mich etwas auf den Schlips getreten. Daher dürfte auch meine oben erwähnte Beschämung stammen. Ich habe meinen Kindern nämlich ziemlich früh zugemutet mit Messer, Gabel und Schere zu hantieren. Ohne schlechtes Gewissen durfte sich mein Sohn im Vorschulalter beim Schnitzen versuchen und meine Tochter hat immer schon gerne in der Küche mitgeholfen, trotz der Gefahren die hier lauern. In meiner Naivität glaubte ich, ihnen dadurch so etwas wie Hausverstand und Selbstverantwortung mit auf dem Weg zu geben. Doch nun stelle ich mein Verhalten schon sehr infrage. Natürlich war mir beim Radfahren, Eislaufen oder dergleichen ein Helm wichtig, eventuell auch noch Knieschützer, außerdem habe ich ihnen gewisse Dinge vorgezeigt und ihnen mündlich Anweisungen gegeben, aber darüber hinaus habe ich versagt. 

Beim Durchackern der vorgegebenen Maßnahmen, seitens der Behörde winde ich mich nun mit schlechtem Gewissen in meinen Bürosessel und laufe dadurch Gefahr vom Stuhl zu kippen. 

Kurz überlege ich, ob es nicht sinnvoll wäre auch meinen Arbeitsplatz genauer zu evaluieren, denn auch so ein Sesselsturz kann ziemlich schmerzhaft sein – das müsste man wirklich konkreter überdenken. 

Alles in allem bin ich schlussendlich aber froh, dass meine Kinder diese Zeit ohne größere Blessuren überstanden haben. 

Im zukünftigen Berufsleben kann ich dann beruhigt darauf vertrauen, dass Sicherheitsvertrauenspersonen und Abgesandte von Behörden ein Auge auf meine Brut werfen…

 

 

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