Gönnen können

Jemandem etwas von ganzem Herzen gönnen zu können, ist wunderschön und bereichert beide Seiten.

Sich ehrlich mit jemandem mitzufreuen macht zufrieden.

Diese Einstellung und das dazugehörende Gefühl erweitern unseren Horizont.

Das Gegenteil von diesem herzlichen Gönnen ist der Neid.

Dieses Gefühl engt uns allerdings ein. 

Wenn die Missgunst an uns nagt, macht uns das unglücklich.

Wobei wir wissen, dass Neid verpönt ist und im christlichen Glauben sogar zu den 7 Todsünden gehört, ist er doch oft anzutreffen.

Das auslösende „Neidobjekt“ kann sich auf alles Mögliche beziehen.

Heutzutage richtet sich dieses „nicht gönnen“ gerne auf materielle Dinge, wie beispielsweise Geld oder Besitz. Weiters ist ein beliebter „Neidfaktor“ das Aussehen. Das kann ich schon irgendwie nachvollziehen, denn auch ich wäre gerne etwas größer und hätte lieber längere und schlankere Beine. Jedoch überkommt mich dieser Wunsch nur kurzfristig. Denn wenn es mir wichtiger wäre, würde ich wahrscheinlich über eine Beinverlängerung nachdenken 😉 — oder wenigstens etwas mehr Einheiten in Bein-Workouts investieren. Also ist der Wunsch nur marginal vorhanden und anscheinend doch nicht zu einem dringlichen Problem ausgewachsen. Natürlich können wir auch Neidgefühle über Fähigkeiten und Talente entwickeln. Oder etwa auf ein intaktes, harmonisches Familienleben, sowie das Auftreten und die Beliebtheit eines Mitmenschen und vieles mehr. Hier gibt es massig Möglichkeiten, in die wir uns hineinsteigern könnten.

Die Vielfalt der Neidobjekte ist sehr groß.

Wenn ich es mir aussuchen könnte, so hätte ich auch gerne mehr Fähigkeiten. Singen beispielsweise wäre genial. Aber auch Klavier spielen zu können, stelle ich mir toll vor. Ich meine hier natürlich etwas über den normalen „Hausgebrauch“ hinaus, wenn schon – denn schon. Bei solchen Fähigkeiten, würde ich wirklich nicht nein sagen.

Jedoch weiß ich, dass hier in diesem Bereich bei mir Hopfen und Malz verloren ist. Außerdem würde ich keiner LehrerIn dieser Welt mich als Schülerin antun wollen. Wahrscheinlich würde diese PädagogIn verdammt harte Arbeit in mich investieren müssen und trotzdem wäre der Einsatz nicht mit Erfolg gekrönt. Die Gefahr, dass diese MusiklehrerIn anhand eines derartigen Erlebnisses ihre Motivation verlieren würde wäre groß. Eventuell würde sie sogar schlussendlich ihren Beruf an den Nagel hängen… 

Meine Freundin hingegen kann beides, singen und Klavier spielen. Ich bewundere sie dafür, jedoch trage ich keinerlei Groll über diese Talentungleichheit in mir. Sie geht mit einer Leichtigkeit an die Sache heran und die Musik erfüllt sie. Ich vermute, dass dies bei mir auch nicht so funktionieren würde. Wenn ich diese Fähigkeiten mit so viel Kampf und Krampf erlernen müsste, hätte ich wahrscheinlich auch nicht diese Leichtigkeit und Freude daran. Und diese Verbissenheit würde den Spaßfaktor ziemlich bremsen. Also belasse ich es damit meinen Gesangskünsten nur im Auto, ohne Beisein von Zuhörern, zu frönen.

Wir sollten unser Können, unsere Talente, unser Aussehen, unser Einkommen oder auch unseren Besitz nicht immer vergleichen. Jeder hat einen anderen Hintergrund und verschiedene Voraussetzungen.

Nicht selten führt ein ständiges Vergleichen zu einem Gefühl der Missgunst. 

Dabei könnte so ein Messen auch etwas Gutes bewirken, wie uns beispielsweise zu motivieren und anzustacheln, um in vielerlei Hinsicht besser zu werden. Kippt dies jedoch in die andere Richtung kann dies zu einem Neid-Problem mutieren. Nicht selten begleitet wird dies von Eifersucht, Verbissenheit, Ärger, Feindseligkeit und sogar Hass. 

Ja, ein weites Feld. 

Warum komme ich auf dieses Thema? 

Mich erschrecken „Neidhammel“ immer wieder. 

Vor allem, wenn ich nicht mit so einer offensichtlichen Reaktion gerechnet habe.

Erschreckend ist es, wenn man das bei vermeintlichen Freunden spürt, bei denen man ursprünglich nur wohlwollende Gefühle vermutete.

Kennt ihr das? 

Wenn ihr merkt, dass jemand auf eine Errungenschaft in eurem Leben, egal ob materiell oder sonstiges, mit Missgunst reagiert? 

Wenn spitze Bemerkungen ausgeteilt werden? 

Oder sofort versucht wird verbal zu übertrumpfen? 

Manchmal auch das Neidobjekt abgewertet wird, um sich selbst in den Mittelpunkt zu schieben? Wenn Äußerungen gehässig werden? 

Das Wahrnehmen von Unehrlichkeit im Raum spürbar ist, auch wenn diese nur unterschwellig dahintümpelt?

Ich bin dann oftmals perplex und irritiert. Denn wir leben in einer Zeit in der jeder alles haben möchte und uns auch vorgegaukelt wird, dass dies möglich sei. Es ist auch absolut nichts Verwerfliches, wenn wir uns etwas wünschen was andere Menschen haben und wir selbst nicht. Die Frage ist, ob wir all das wirklich brauchen? Ist es mir dieser Wunsch dann auch wert, eine hohe Anstrengung dafür zu leisten? Egal ob es sich dabei um materiellen oder arbeitstechnischen Einsatz handelt, der dabei gefordert wird. Wäre es da nicht sinnvoller zu fragen, ob ich dies wirklich unverzichtbar für mein Leben brauche? Welche Prioritäten sind mir wichtig? Wer sagt uns, dass der „Beneidete“ glücklich ist mit dem was er hat? Ist es sinnvoll, dass wir als „Neidhammel“ uns mit dieser Konzentration auf andere unglücklich machen? Vielleicht liegt unser Glück ja sowieso ganz woanders. Und nicht darin, dass wir uns jahrelang abmühen, um dann eventuell annähernd so gut am Klavier zu sein, wie eine Freundin oder Kollegin. Wer weiß denn, ob mich das auch so erfüllt und mir Zufriedenheit gibt? Möglicherweise bin ich ja mit einem Töpferkurs besser bedient? Kann mich beim Gatschen entfalten und dabei Zufriedenheit erlangen. Es gilt unsere Talente zu finden und zu leben. Vielleicht ist es auch gar nicht so ideal dieses oder jenes zu besitzen? Eventuell sogar eine Bürde? Jeder ist seines Glückes Schmied. Und deshalb sollten wir auch wissen, was WIR brauchen zum Glücklichsein. Das kann etwas komplett anderes sein, als das was meinen Nachbarn entzückt. Zufriedenheit und Dankbarkeit können wir nur in uns selbst finden. Für einen sind dies Luxusgehänge, welche durch die Gegend getragen werden und für jemand anderes vielleicht ein Gemüsegarten. 

Mit Neid und Missgunst machen wir uns das Leben schwer. 

Außerdem hat jeder die Freiheit das vermeintlich begehrenswerte Etwas auch selbst zu erreichen. Natürlich mit etwas Einsatz, auch der Beneidete musste wahrscheinlich etwas dazu beitragen. 

Keiner sollte über das Leben anderer urteilen, denn für Erfolg muss man auch Opfer bringen. Schönheit verblasst bekanntlich im Alter sicherlich ebenfalls, wenn sie nicht immer gehegt und gepflegt wird – umso älter, umso mehr Aufwand. 

Talente hat jeder, es gilt sie einfach zu entdecken, zu fördern. 

Das harmonische Familienleben ist eben auch nur mit Aufwand, Zeit und Verständnis zu erreichen. 

Es kommt eben nichts von alleine, man muss etwas dafür tun. 

Und nun gilt es für uns abzuwiegen, ob so ein Aufwand für den ein oder anderen Wunsch, dies überhaupt wert ist. 

Wenn wir uns ernst nehmen, auf uns selbst hören, dann wissen wir was wir wirklich brauchen. Und das kann vollkommen unterschiedlich sein. 

Wir können nur unser Glück und unser Leben beurteilen – das der Anderen mag zwar „perfektes Glück“ vermitteln – ob dies so ist, sei oft dahingestellt.

Denn jeder hat sein „Pinkerl“ zu tragen.

Kaum jemand fällt immer auf die Butterseite des Lebens.

Deshalb schadet es nie, wenn wir uns selber etwas besser kennenlernen. Dann können wir uns vielleicht auch eingestehen, dass wir nicht bereit sind für Erfolg, Können, Geld, Bildung den Einsatz zur leisten, der nötig wäre. 

Und doch dem Anderen diesen Einsatz zuzugestehen, sein Tun wertzuschätzen und die geernteten Früchte zu gönnen. 

Dabei wäre ein Perspektivenwechsel hilfreich. 

Der Neider könnte zufrieden lächeln, wenn er erkennt, dass der Beneidete noch Überstunden schiebt, während er schon mit hochgelagerten Beinen auf dem Balkon seinen Cappuccino schlürft…

 

Hier noch eine Strophe des Gedichts „Das Ideal“ von Kurt Tucholsky (1927):

„Jedes Glück hat einen kleinen Stich. 

Wir möchten so viel: Haben, Sein. Und gelten.

Dass einer alles hat: das ist selten.“

 

 

Mehr gibt es in meinem Buch: „Mann, bist du gut, Frau!“ zu lesen. Bestellen um € 19,90 unter: marlies@herbsthofer.com 🙂

2 Gedanken zu „Gönnen können

  1. Du sprichst mir wieder mal aus dem Herzen, denn jeder ist seines eigenen Glückes Schmied. Dies erkenne ich umso öfter , je älter ich werde.. Und das mit den langen Beinen ist auch eine zweischneidige Sache. Ich, bei 1.89m Körperlänge mit wirklich langen Beinen ausgestattet , Pflege auf Kommentare über diese anzumetken: Hosenbeine abschneiden geht immer, aber annähen? Meine ganzen Kinder- und Jugendjahre hatte ich nur Hosen, die mit zu kurz waren und heute trage ich fast nur Jeans, da die wenigsten Designer Hosen jenseits der „32-er „Länge kreieren. Dies nur so zum Trost.😉

    1. Danke, liebe Susanne! Ja, das mit den Beinen habe ich bis jetzt noch nie von dieser Warte aus betrachtet. 😉 Hmmm… Und damit sehen wir wieder, jede Medaille hat zwei Seiten. Diese Sichtweise kann genau bei dieser Neid-Thematik sehr hilfreich sein! 🙂

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