Das Opferlamm

Oh, wer kennt sie nicht die ewig Jammernden, welche immer mit ihrem ständigen „mimimimi“  oder besser gesagt „mähmähmäh“ allen Menschen, in ihrem Umfeld in den Ohren liegen.

Die immer genau wissen wer Schuld hat, an ihrem unglücklichen Leben.

Überdies bekommen sie nie das, was ihnen vermeintlich zusteht.

Ich kenne solche Lämmer. 

Anfangs schwimme ich oft auf einer Welle des Mitleids in diesem Meer vom ewigen „mimimimi-mähmähmäh“ mit. 

Geht es doch oft um Ungerechtigkeiten und solche mag ich nicht. 

Schließlich bin ich auch geschult mich in andere hineinzuversetzen und zuzuhören. 

Doch irgendwann ist das Verständnis erschöpft.

Egal, um welchen Lebensbereich es sich handelt – es gibt immer einen Schuldigen.

Nur nicht das Opferlamm selbst! 

Nein, denn das ist nur benachteiligt und arm.

Wenn mir eine erwachsene Frau Mitte 40 erklärt, sie sei in ihrem miserablen Job so unglücklich und sie verabscheue die Arbeitsbedingungen, den Chef, sowie die Kollegen habe ich natürlich anhand dieses unzumutbaren Umstandes Verständnis und Mitgefühl. 

Wenn sie sagt, sie versuche einfach nur die Tage zu überstehen, dann hört sich das echt tragisch an. Denn ich finde es schlimm, wenn man so seine beruflichen Tage verbringen muss. 

Ist doch die Zeit, die wir am Arbeitsplatz verbringen, ein beachtlicher Anteil in unserem Leben.

Allerdings muss ich nach jahrelangem „mimimi-mähmähmäh“ feststellen, dass hier etwas faul ist.

Es nicht so, dass diese Frau alleinerziehende Mutter wäre und sich jeden Tag an ein verhasstes ausbeuterisches Fließband mit Schichtbetrieb schleppen muss, um ihre Großfamilie durchzufüttern – nein, so ist die Situation nicht.

Sie hat einen höheren Schulabschluss und wohnt in einer Stadt.

Trotzdem möchte ich den Arbeitsplatz nicht beurteilen – möglicherweise ist dieser katastrophal.

Jedoch verstehe ich nicht, dass diese gute Frau dann nichts ändert. 

Sie ist kinderlos und hat keinen Partner, demnach hätte sie durchaus die Möglichkeit, sich einen anderen Job zu suchen. Macht sie die Art ihrer Tätigkeit unglücklich, hätte sie die Gelegenheit sich in eine Weiterbildung oder Umschulung zu begeben. Um endlich ihre Berufung zu finden. Dann würde ihr die Arbeit, mit großer Wahrscheinlichkeit sogar Spaß bereiten und sie könnte endlich ihre Fähigkeiten zum Einsatz bringen. 

Wenn ein Arbeitsplatz so belastend ist, wäre es gesund etwas zu ändern. 

Ich kenne diese Person schon ziemlich lange und mittlerweile weiß ich, dass dieses Gejammer zu ihr gehört. Denn auch mit ihrem vorigen Job war sie sehr unglücklich, auch hier waren ebenfalls die Kollegen und der Vorgesetzte unzumutbar. Trotzdem wurde der Arbeitsplatz erst gewechselt, als der Betrieb schließlich geschlossen wurde und somit ein Wechsel notwendig war.

Oder beispielsweise die fleißige Unternehmerin, welche im Dauerstress immer durch Raum und Zeit herumirrt. Die ständig zu spät bei Veranstaltungen auftaucht, oder kurz vor Geschäftsschluss noch dringend allerhand zu erledigen hat, um ihre Überlastung dabei besonders hervorzuheben. Vielleicht fühlt sie sich durch dieses abgehetzte Auftreten auch ein Stück wichtiger als die anderen – wer weiß…

Jedoch würde sie niemals auch nur einen Teil ihrer Arbeit abgeben, denn schließlich ist sie ja die Beste. Dies wird immer wieder in ausführlichem „mimimimi-mähmähmäh“ bei jedem Treffen betont. Geändert wird natürlich nichts. Gejammert jedoch ständig.

Ach ja, dass es sich bei den genannten Beispielen um Frauen handelt, ist rein zufällig. 

Es gibt auch männliche Lämmer. 

  

Die Schuld an solchen Lebensumständen liegt, bei diesen Menschen logischerweise immer im Außen. 

Dabei muss als Argumentation allerhand herhalten, wie etwa die schlimme Kindheit, oder das Verhalten der Eltern auch wenn man der Kinderstube schon lang entwachsen ist.

Weitere Schuldige sind das System, die Ausländer, der Staat oder das Finanzamt…

Dadurch bekommen diese Leute nie das was ihnen vermeintlich zusteht, sie sind immer benachteiligt.

Alles und jeder ist böse!

Und eine Unmenge an Wut und Empörung sind bei der Jammerei ebenfalls spürbar.

Komischerweise hat man das Gefühl, diese Gesetze und Umstände prasseln nur auf dieses arme Opferlamm ein. 

Natürlich kennen wir fast alle Momente des Selbstmitleids in so manchen Lebenslagen. 

Das Leben ist nicht gerecht. 

Nicht einmal vor Gericht geht es um Gerechtigkeit, oft nicht einmal um Recht, sondern nur darum ein Urteil zu fällen.

Ab und zu hat es sogar den Anschein, das Leben hätte sich gegen uns verschworen. Wir hadern mit unserem Schicksal und ärgern uns. 

Ja, wir bemitleiden uns.  

Leider können wir vieles auch nicht verhindern – es widerfährt uns einfach. 

Wir dürfen uns dann in unser Opferhaltung hingeben und uns darin suhlen. 

Diese „Selbstmitleidsmomente“ gibt es.

Und manchmal tut ein „mimimimi“ auch einfach gut. 

Aber wenn dies zu einer Lebenshaltung, sowie zu einer Dauereinrichtung ausartet und zu unendlichem „mähmähmäh“, wird, ist das anstrengend. Für das Opfer und für das Umfeld!

Außerdem müssen wir uns fragen – ist diese Haltung eine erwachsene Lösung? 

Wenn wir selbst nicht die Macht über unser Leben übernehmen und immer darauf warten, dass dies die Eltern, der Partner, der Staat oder der Chef für einen regelt, werden wir lange warten und wahrscheinlich nie zufrieden sein. Unser Schicksal immer in die Hände anderer zu legen, ist eher ein kindisches Verhalten. Das Opferlamm ist sozusagen nicht erwachsen.

Und manche sind hauptberuflich Opferlämmer. 

Das Schöne dabei ist, als Opfer brauchen wir nichts zu verändern. Wir können uns zurücklehnen, jammern und die Schuld von uns weisen. Ganz schön praktisch! Am besten funktioniert dies mit Gleichgesinnten, da kann man so richtig schön den ganzen angestauten Schleim auf alles und jeden schlatzen. Gemeinsam das Klagelied singen und sich dabei so richtig im Recht fühlen!

Oft ist es für diese Opfer auch leichter sich über die Unzulänglichkeiten der anderen auszulassen als sich mal selbst kritisch zu hinterfragen. 

Diesen Lämmern würde eine Bewusstwerdung ihrer Situation helfen.

Ein Übernehmen der Verantwortung in ihrem Leben und ein erwachseneres Handeln.

Denn auch wenn die Kindheit noch so schlimm war, hat man doch selbst das Leben als Erwachsener in der Hand. Man darf sich, sowie sein Leben verändern und so gestalten, dass es angenehm lebbar wird.

Nicht alles können wir beeinflussen und regeln, jedoch dürfen wir unsere Einstellung zu allem überdenken. Den Blickwinkel ändern und manches verwerfen oder umgestalten. 

Dazu braucht man ein bisschen Mut und auch etwas Selbstvertrauen.

Aber auch das in sich hinein spüren, woher dieser Stillstand und diese Haltung stammen.

Möglicherweise sind sie gepaart mit Wut und Ohnmacht, die aus einer anderen Zeit stammen?

Es könnte sehr befreiend sein, wenn ein Opferlamm schließlich aus dem engen, wenn auch gewohnten und gemütlichen Stall ausbricht, um endlich eigenständige Sprünge zu machen.

Kommen diese Jammergedanken, sollte man einfach mal nachdenken ob man dabei nicht auch selbst etwas ändern könnte. Eventuell einfach mal die Perspektive zu wechseln und so manches Leid versuchen loszulassen, anstatt daran festzuhalten.

Denn ein breiterer Horizont schadet nie, er ermöglicht oft nicht nur ein Öffnen des Geistes, sondern auch des Herzens. 

Darum Gedanken sortieren, aufräumen und langsam verändern.

Wenn jeder Verantwortung über sein Leben nimmt, sowie ehrlich versucht es so zu gestalten, dass er als Mensch zufrieden ist, dann würde die Welt sicherlich besser aussehen und so manches Opferlamm Luftsprünge machen….

 

 

Mehr gibt es in meinem Buch: „Mann, bist du gut, Frau!“ – Bestellung unter: marlies@herbsthofer.com, um € 19,90.

4 Gedanken zu „Das Opferlamm

  1. Genau auf den „Wunden“ Punkt getroffen.
    Du kennst Sie Opferlämmer, Ich sage Menschen die ihre Macht abgeben.
    Die Macht ihr Leben selbst zu bestimmen.
    Es tut zwar Weh, was ihnen das Ganze Leben lang passiert, Aber die wissen wenigstens Wer Schuld ist.
    Die Angst, etwas zu ändern, ist größer, als der Mut, den es für ein selbstbestimmtes Leben braucht.

    Lieber den gewohnten Schmerz ertragen, als ein Abenteuer Wagen. (super, Das reimt sich sogar)

    Super Beitrag Mah-Lies,
    Ich bin dein Fan👍

    1. Dankeschön 🙂 ! Ja, das hast Du toll formuliert. Wir dürfen selbst entscheiden und selbst bestimmen – das ist doch genial. Jedoch ist dies für manche Menschen auch eine Bürde…

  2. Das unterschreibe ich Dir dick und fett 👌👍! Man darf sich auch mal suhlen, aber dann muss ich die Ärmel hochkrempeln 🤷. Es gibt Dinge, die lassen sich leider definitiv nicht ändern, aber das was ich beeinflussen kann, nutze ich. Toller Artikel 💪

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